Die Königsetappe führte über verschiedene Seen bis zum Ziel in Imosti, die Mercedes-Stadt Kroatiens.

    Kroatien kann auch anders – eben nicht nur Sonne. Am frühen Morgen Donnergrollen, Blitze zucken durch die Luft, anschließend prasselt heftiger Regen nieder, der allerdings zum Zeitpunkt unseres Treffpunkts um 8:00 Uhr Morgens nachlässt und schließlich zum Start in Lokvicic ein Erbarmen hat. Hier werden wir an einem Aussichtspunkt auf die Strecke geschickt. Unter uns offenbart sich der erste von vielen Seen, die wir heute kennen lernen dürfen – gefüllte und trockene.

     

    Letzte Vorbereitungen vor der Startlinie am Aussichtspunkt / Bild: Harald Bajohr

    Zunächst einmal geht es lässig bergab – wie es sich für eine Königsetappe gehört ohne Erbarmen. Mal große, mal kleine Steine. Meinen Mitläufern scheint das keine Probleme zu bereiten während ich schon auf den ersten Metern einmal mehr den Anschluss verliere. Unsere Gruppe hat übrigens mit Fiona, einer Australierin, die Urlaub in Kroatien macht und durch Zufall von dem Lauf erfahren hat, Zuwachs bekommen. Aber auch Fiona kommt mit dem anspruchsvollen ersten Downhiill bestens zurecht und ist schon schnell außer Sichtweite.

    Mitia vor dem Start und immer guter Dinge / Bild: Harald Bajohr

    Am Ufer des Sees angekommen, geht es erst sachte, dann steil und steinig bergauf. Dieser Trail hat alles zu bieten, was ein Canyon so offenbart. Große Steine, steile Hänge, technisch werde ich einmal mehr über mein Limit gefordert. Bergauf komme ich noch einigermaßen klar, aber genauso steil geht es bergab. Schon das erste Stück geht mental über meine Grenzen hinaus und selbst als der Trail etwas weniger anspruchsvoll wird, was immer noch anspruchsvoll genug ist, möchte ich einmal mehr an der Verpflegungsstelle bei Kilometer 10 das Rennen beenden. Endlich erreiche ich einen auch für mich laufbaren Streckenabschnitt, noch ein kleiner steiler Downhill und vor mir offenbart sich circa 1 Kilometer wunderbarer Asphalt. Auf der Brücke sehe ich die in Aussicht gestellte Verpflegungsstation an der mich Marko begrüßt. Ich habe nur sieben Minuten Rückstand auf den Mann vor mir, meinem Slowenischen Zimmernachbarn Mitia. Das motiviert mich und an ein vorzeitiges Beenden des Rennens verschwende ich keinen Gedanken mehr.

    Ein hartes Brett heute / Bild: Harald Bajohr

    Es folgen 2 Kilometer wunderschöner Waldweg bis es wieder steil und technisch wird und es erneut einen Canyon hinauf geht. Für die nächsten 2 Kilometer heißt es, alle Sinne beisammen halten. Der Weg ist nur manchmal ein paar Zentimeter breit und neben mir offenbart sich eine 40 oder 50 Meter tiefe Schlucht. Bloß nicht hinunterschauen und den Körper unter Kontrolle halten. Ein Fehltritt wäre katastrophal. Nach einer gefühlten halben Ewigkeit ist auch dieses anspruchsvolle Stück gemeistert. Es folgen abwechslungsreiche Trails, mal durch Wiesen und Wälder, mal über groben Schotter. Weiterhin viel bergauf, selten bergab.

    Ziel erreicht, unten der blaue See / Bild: Marko Herrmann

    Ich nähere mich dem Ziel in Imosti. Rund 70 Prozent der männlichen Einheimischen haben in den 1960ger, 1970ger und 1980ger Jahren in Deutschland gearbeitet und ihre Familien Zuhause gelassen. Nirgendwo in Kroatien gibt es so viele Mercedes-Fahrer wie in der Gegend von Imosti, weil viele eben in den Daimlerwerken geschuftet haben, um ihren Familien Zuhause ein wenig Luxus bieten zu können. Selbst heute sind viele aus der Gegend nach Deutschland gezogen, allerdings mit ihren Familien. Auch in Kroatien dominiert in vielen Regionen Perspektivelosigkeit. Wir befinden uns übrigens nur 8 Kilometer bon der bosnischen Grenze entfernt, da kommt einem doch wieder der grausame Jugoslawien-Krieg in den Sinn.

    Ein Schild deutet an, dass es nur noch 10 Minuten bis zum ersten der beiden Seen Imsostis sind und schließlich habe ich ihn erreicht – den roten See mit seinen roten Felsen. Fast 200 Meter geht es in die Tiefe, ich riskiere nur einen kurzen Blick. Ich möchte jetzt nur noch ans Ziel, das am blauen See liegt. Es gilt noch ein paar steinige Passagen zu überwinden bis ich schließlich Imosti erreiche. Von einem Cafe winkt mir der Rest der Truppe entgegen. Abklatschen mit Stephan, wieder den Applaus der anderen einheimsen und noch 50 Meter bis zum Ziel, an dem mich Marko begrüßt. Ein kurzer Blick auf den blauen See, wir packen Wasser, Cola und die restlichen Snacks zusammen und gehen schließlich mit unserer Truppe zu den Autos, um nach kurzer Zeit wieder beim Essen zu sitzen, das wir uns auch heute redlich verdient haben.

     

    Über 3.000 Jahre alte Gräber an der Hauptstraße / Bild: Harald Bajohr

    Auf der Rückfahrt hält Annamarija plötzlich an und zeigt uns Ausgrabungen, die über 3.000 Jahre alt sind. Direkt neben der Straße ein Freilichtmuseum, für das sich niemand interessiert. Es ist stürmisch geworden, der Bora hält Einzug – ein tückischer Fallwind, wegen dem zu Hochzeiten auch sämtliche Brücken und Straßen gesperrt werden, weil die Gefahr zu groß ist, dass vor allem Trucks einfach umgeblasen werden.

    Wo die Historie neben der Straße liegt / Bild: Harald Bajohr

    Endlich kommen wir im Hotel an. Jetzt wird gepackt, denn nach der vierten Etappe morgen heißt es Ortswechsel. Davor liegen allerdings noch gute 20 Kilometer und überschaubare 600 Höhenmeter, aber das mit dem überschaubar kennen wir ja schon.

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