Die erste Mitteldistanz: Der Ironman 70.3 Kraichgau sollte es sein mit seinem familiären Flair, den 1000 Hügeln und der großartigen Stimmung. Es wurde der Tag an dem mir Flügel wuchsen.
Holprige Vorbereitung
Meine erste Mitteldistanz sollte etwas ganz Besonderes werden und das wurde sie auch. Die Vorzeichen standen allerdings eher nicht so günstig. Gebeutelt vom kalten Wetter im Vorfeld, wobei ich hier in allerbester Gesellschaft war, denn das betraf ja fast alle Teilnehmer. Zudem gehandicapt von zwei folgenreichen Stürzen, war mein Training alles andere als optimal. Es war eher Kampf und Krampf als Freude. Verletzungsbedingte, schier endlose Kilometer auf der Rolle, wenige auf der Straße und das bei meiner Zitterdisziplin, dem Radfahren. Schwimmen im See bei 12 Grad, einzig das Laufen lief.
Helfende heilende Hände und Ruhe fand ich wie so oft beim besten Physiotherapeuten. Daniel macht nicht nur müde Beine und vom Sturz lädierte Körperteile wieder fit, sondern er hat die Gabe, mich zu entschleunigen. Wellness für Körper und Geist – wichtig um auf den Punkt fit zu werden.
Das Ziel war einmal mehr: Ankommen im Zeitlimit. Je mehr Steine ich in den Weg geworfen bekam, desto trotziger verfolgte ich mein Ziel. Nicht an den Start zu gehen, war keine Option!
Die Spannung steigt
Die Anreise am Freitag vor dem Wettkampf war entspannt, wir hatten uns bei Freunden in der Nähe von Bad Schönborn einquartiert. Gut, wenn man entspannte Freunde hat, die kein Problem damit haben, wenn man mit drei Hunden und jede Menge Gepäck das Haus besetzt.
Mit Betreten des Expogeländes des Ironman 70.3 Kraichgau war meine Stimmung einfach nur großartig. Gänsehaut beim Anlegen des Athletenbandes, große Freude über einen sehr schönen Rucksack, ein kleiner Bummel über die Expo, wobei ein Veranstaltungshirt direkt den Weg zu mir fand. Schließlich stehen die Namen aller Teilnehmer darauf, eine einzigartige Erinnerung also.
Alte Bekannte treffen und neue Menschen kennenlernen. Ohana – welcome to our family, das Motto von allen Ironman Events seit diesem Jahr. Teil von etwas Großem zu sein und trotzdem den familiären Flair nicht vermissen lassen – genau das macht den Ironman 70.3 im Kraichgau so besonders. Irongirl Run, Ironkids, Triathlon Bundesliga und 5150, zudem die Möglichkeit, als Staffel an den Start zu gehen. Im Kraichgau wird alles vereint, was der sportliche Dreikampf zu bieten hat, für alle Alters- und Leistungsklassen. 2019 ist zusätzlich ein besonderes Jahr für den Triathlon im Kraichgau, denn der feiert sein 15-jähriges Jubiläum im Land der 1000 Hügel. Noch ein Grund mehr für die Sonne, mit den Teilnehmern um die Wette zu strahlen.
In den Startlöchern
Traditionsgemäß gönne ich mir vor dem Wettkampf noch einen Friseurbesuch, eine aufwendige Flechtfrisur, damit die Mähne am Wettkampftag gezähmt ist und natürlich ist so eine Frisur auch gut für die B-Note, genau wie bunt lackierte Nägel, passend zum Outfit. Typisch Frau eben, aber was dem Kopf hilft, ist erlaubt.
Gut gestylt geht es also am Samstag zur Wettkampfbesprechung, die sehr locker und flockig moderiert das Wichtigste für den Wettkampftag auf den Punkt bringt. Nebenbei gibt es noch ein ausgesprochen vielfältiges und leckeres Buffet für die Athleten und gegen Bezahlung auch deren Begleiter. Auch hier ist der Kraichgau ein Vorbild für andere Veranstaltungen und die Freundlichkeit der fleißigen Helfer einfach nur herzerfrischend.
Mit vollem Bauch und bestens informiert geht es nun an den See, denn dort werden Rad und Wechselbeutel eingecheckt. Auch hier zügiges Vorgehen, freundliche Helfer und der Versuch, sich den Platz der Beutel und des Rads einzuprägen. Schnell noch die Beine in den See gehängt und einen Blick auf die Bojen werfen, dabei gedanklich schon mal paddeln. Jetzt gilt es Schlaf und Ruhe zu bekommen und die Energiespeicher beim Abendessen noch mal aufzufüllen.
Den Start der Ironkids nehme ich noch mit, einfach toll wie motiviert die Kleinen unterwegs sind. Das spornt an für den nächsten Tag. Die schnellen Bundesligateilnehmer verpasse ich leider, aber der Abend gehört nur mir.
Im Wettkampf-Modus
Harald und ich sind früh unterwegs zum See, denn Ingemar mit Hündin Blanca ist extra 300 Kilometer weit gefahren, um mich anzufeuern und die beiden warten schon auf uns. Ein freudiges Wiedersehen unter Freunden, noch ein paar Insider-Tipps, denn Ingemar hat den Ironman 70.3 Kraichgau auch schon gefinisht. Blanca kraulen, das Rad nochmal checken und dann rein in den Neoprenanzug und mit viel Respekt, aber genauso viel Freude an einem wunderbar sonnigen Morgen in den See steigen.
Es ist ein entspanntes Schwimmen in einem perfekt temperierten See und ich genieße jeden Armzug. Da meine Sportuhr wenige Tage vor dem Wettkampf versagt hat, habe ich lediglich eine Uhr für die Tageszeit und werfe darauf während des Schwimmens nicht einen einzigen Blick. Beim Ausstieg aus dem Wasser strahle ich mit der Sonne um die Wette, eine Schwimmzeit um die 45 Minuten, wenn ich das richtig rechne, für mich der perfekte Start in mein Rennen.
Die gute Laune lässt auch auf dem Rad nicht nach. Ich bin die Strecke bewusst vorher nicht abgefahren, denn das macht mich eher verrückt als dass es mir Sicherheit gibt. Weiterhin strahle ich mit der Sonne um die Wette, fahre mein eigenes Rennen, genieße die Anstiege und Abfahrten, sehe rosafarbene Blumen am Wegesrand, Pferde, Kühe und Schafe. Der führende Jan Frodeno fliegt an mir vorbei und ich sauge alles auf.
Ich tauche in meine eigene Welt ein, der berühmte Flow nimmt mich gefangen und ich surfe wie auf einer endlosen Welle. Ich habe die Worte von meinem Trainer Jürgen, von Harald, Ingemar, Tina, Tanja und Roland, meinem Dad und Elke, Michele, Eva und noch einigen anderen im Kopf, die mich gedanklich begleiten und das gibt mir Energie. Unfassbar tolle Helfer, die nicht nur Verpflegung reichen, sondern auch die Strecke sichern und unermüdlich anfeuern, reißen mich ab und zu aus meiner Welt, aber auf eine schöne Art und Weise. Eine sensationell schöne Radstrecke im Land der 1000 Hügel, die wir an diesem Tag gefühlt alle abfahren. Die Gedankenreise endet mit dem Abstieg vom Rad. Ein kurzer Blick auf die Uhr. Es müsste eine Zeit um die 4 Stunden auf dem Rad gewesen sein. Voll im Plan.
Die Hitze prallt mir entgegen wie eine Mauer, als ich das Wechselzelt zum Laufen verlasse. Mit erstaunlich lockeren Beinen, aber dem Gefühl nicht atmen zu könne, klatsche ich Harald und Ingemar ab und laufe los. Drei Runden, endlos viele Menschen, Wasser, Wasser und noch mehr Wasser – aus Schläuchen, in Schwämmen die ich mir in den Anzug stecke und natürlich auch zum Trinken. Ich verbringe sehr viel Zeit an den bestens bestückten Verpflegungsstellen bei den besten Helfern der Welt. Der Körper kennt Hitze dieses Jahr noch nicht, beschweren will ich mich nicht und auch keine Ausreden finden für eine Laufzeit, die ordentlich aber nicht wunschgemäß ist, aber es darf erlaubt sein, ein wenig Analyse zu betreiben. Waren Schwimmen und Radfahren einfach nur Freude pur, so wurde das Laufen zur Qual, aber es heißt ja nun mal auch Ironman und nicht Spaziergang. Trotzdem bin ich ganz bei mir und auch wenn das Tempo alles andere als schnell ist, habe ich das Gefühl zu fliegen.
Und während sich noch viele Athleten tapfer über die Laufstrecke bewegen, feiern die Sieger schon und werden gebührend gefeiert. Ironman 70.3 hat eben viele Gesichter: schnelle und langsame und jedes schreibt seine ganz eigene Geschichte.
Das Ziel
Entlang des Zielkanals klatsche ich Ingemar nochmal ab und werfe Blanca einen Blick zu und dann ist er da, der Zielbogen mit dem Ironman Logo und Harald wartet direkt dahinter auf mich.
Wenn die Seele sich durch die Augen schleicht und als Träne über die Wange rinnt, gibt es keine Worte für die Emotionen. Das sind die Momente für die sich jeglicher Schmerz, alle Rückschläge und Hindernisse lohnen. Ironman 70.3 Kraichgau – wenn Träume wahr werden.
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