Schwindelfreie Bergziegen kommen beim Gebirgsmarathon in Immenstadt voll auf ihre Kosten. Bei seiner 31. Austragung im Krisenjahr von Krisenstimmung keine Spur.
    Foto: Harald Bajohr

    Aber eben auch nur fast. Die 31. Austragung des Gebirgsmarathon dürfte mit Argusaugen von offizieller Seite betrachtet worden sein. Mund- und Nasenschutz also für alle Beteiligten selbstverständlich – ohne Murren, ohne Diskussion. Rote Punkte hinter der Startlinie sorgten für eine abstandsgerechte Startaufstellung. Ansonsten regieren der herzliche Empfang bei der Ausgabe der Start-Nummern und die in der Luft spürbare gewisse Anspannung vor dem Start. Das zu recht, denn der Gebirgsmarathon hat es in sich: 31 Kilometer mit 3.050 Höhenmetern die lange Variante, 15 Kilometer und 1.500 Höhenmeter die kürzere Strecke.

    Der 31. Gebirgsmarathon stand wie so viele Laufveranstaltungen in diesem Jahr im Vorfeld auf wackeligen Füßen. Eine limitierte Teilnehmeranzahl, ein Hygienekonzept und das Durchhaltevermögen des Orga-Teams um Marc Dürr und Stefan Lang machten es schließlich möglich, dass sich am 15. August die glücklichen 100 TeilnehmerInnen an der Mittagbahn in Immenstadt zum Start einfinden durften. Von Krisenstimmung an diesem Morgen keine Spur, ein Stück Alltag, ein Stück „alte Normalität“: Beachflags, Starterbogen, Ausgabe der Startunterlagen, alles fast wie immer und sogar das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite.

    Foto: Harald Bajohr

    Nach den letzten kurzen Anweisungen mit der Aufforderung Mensch und Tier auf den schmalen Pfaden mit Respekt zu begegnen, fällt schließlich pünktlich um 8:00 Uhr mit ein wenig Getöse der Startschuss. Die obligatorische „Parkplatzrunde“ sind die ersten und auch letzten flachen Meter in den nächsten Stunden. Der Gebirgsmarathon hat es in sich. Für alle, die mit dem Gedanken spielen, hier einmal an den Start zu gehen: „Technisch anspruchsvoll“ heißt in diesem Fall auch technisch anspruchsoll. Wenn man in den Genuss kommen möchte, die komplette Distanz zurück zu legen, müssen die ersten ca. 10 Kilometer und 1.000 Höhenmeter in einer Zeit unter 2:15h zurück gelegt werden. Wer an diesem Zeitlimit scheitert, kommt trotzdem noch in den Genuss wunderbarer Laufmomente und wird auf die 15km Strecke umgeleitet. Deren Start erfolgt zwar erst 2 Stunden später um 10:00 Uhr, aber die Zeit spielt an diesem Tag für die meisten Läuferinnen und Läufer ohnehin eine untergeordnete Rolle. 

    Ich komme an diesem Morgen nur schwer in den Tritt und bin schnell am Ende des Feldes. Die Nerven sollte man trotzdem nicht verlieren und auch die Flinte nicht vorzeitig ins Korn werfen. Schließlich finde ich irgendwie einen Rhythmus, meistere die ersten vom Start weg steilen, aber noch wenig anspruchsvollen Anstiege. Hätte ich hier schon gewusst, was mich im Laufe der Strecke erwartet, hätte ich freiwillig die kürzere Variante gewählt – und damit einen großen Fehler begangen! „Viel Spaß noch“, wünschen mir die Streckenposten am Abzweig am Stuiben Sattel. Spaß ist aber eben relativ. Ein paar Kilometer später gibt es an der Gündlesscharte Verpflegung: Etwas Obst, Riegel, Schokolade. In weiser Voraussicht fülle ich meine Getränkevorräte auf, bevor ich mich auf den nächsten Teilabschnitt zum Hochgrat-Gipfel bewege. Felsige Abschnitte, schmale Pfade, seilversicherte Passagen, auf dem Grat mit wunderbarem Blick über die Bergwelt wird alles geboten. Auf- und Abstiege steil, auf denen zum Teil viel Geschick gefordert wird

    Technisch anspruchsvoll ist definitiv nicht übertrieben. Kühe versperren mir den Weg – wie kommen die hier hin? – Geduld, Behutsamkeit und Respekt vor der Natur sind gefragt, aber Zeit spielt ja keine Rolle. Schließlich ist der Hochgrat-Gipfel und damit der höchste Punkt der Strecke erreicht. Jetzt nur noch ein paar Höhenmeter im gefühlt freien Fall hinab zum Wendepunkt und dann geht es denselben Weg zurück. Wieder die Kühe, ein paar Meter später Pferde – nein, das war keine Halluzination -, wieder die Jungs von der Verpflegung an der Gündlesscharte und schließlich der Abzweig auf die 15 Kilometer Strecke. Jetzt folgen noch einmal technische Sahnehäubchen. Für die letzten 5 Kilometer benötige ich fast 90 Minuten. Endlich winkt das Ziel. Großes Banner, tolle Verpflegung und Zeit noch einmal im Sitzen das wundervolle Panorama zu genießen. 8:14h war ich unterwegs und es braucht lange, um diese Laufeindrücke zu verarbeiten. Wer jetzt noch fit ist, geht zu Fuß zum Parkplatz der Mittagbahn, jetzt geht es ja nur noch bergab – oder fährt mit der Bahn. Ich ziehe die zweite Variante vor, beeile mich noch rechtzeitig die Station zu erreichen. 17:00 Uhr ist Cut-Off für die Gondelfahrt Richtung Tal. Das haut gerade noch so hin und ich schaukele gemütlich dem Ausgangspunkt eines wunderbaren Lauftages entgegen.

    Der Gebirgsmarathon hat es in sich. Jedenfalls dann, wenn man selbst kein Einheimischer und auf den Strecken des Allgäus unterwegs ist. Eine Herausforderung, die man angesichts dessen, was er bietet, sehr gerne annimmt. Er ist eine Bereicherung in jeder Lauf-Vita, eine kleine Krone in der Sammlung der bestandenen Abenteuer. Mit viel Liebe und Herzlichkeit organisiert, Aufmunterungen und Respekt an der Strecke inklusive. Fernab des Trailrunning-Hypes, ursprünglich und authentisch. Naturliebhaber, Bergfans sind hier genau richtig und keine Angst, die Zeit spielt beim Gebirgsmarathon eine untergeordnete Rolle.

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