Schneekettenpflicht – die Info kam seitens der Organisation zu Beginn der Rennwoche. Das dürfte die diesjährige Austragung des Trail Verbier St Bernard by UTMB noch herausfordernder gestalten als die Rennen auf dem Papier ohnehin schon hergeben.

    Für mich bedeutet es 5.300 Höhenmeter auf 76 Kilometer. Der X-Traversée ist wie alle Rennen im Rahmen des Trail Verbier höchst anspruchsvoll. Schafft man es bis zum letzten Cut Off rund 10 Kilometer vor dem Ziel, stehen immer noch 1.200 qualvolle Höhenmeter auf dem Tableau. Ein Scheitern ist bis zum Schluss möglich. Doch in mir hat sich seit meiner Meldebestätigung auch so etwas wie Ehrfurcht breit gemacht. Ohne jemals in Verbier gewesen zu sein, es ist einmal mehr ein Once-In-A-Lifetime Event.

    Den Weg der Anreise kenne ich mittlerweile fast wie im Schlaf. Freiburg – Basel – Bern – Lausanne – Martigny, doch statt wie sonst in Richtung Chamonix abzubiegen, geht es dieses Mal Richtung Verbier. Bis ich den auf 1.500 Höhenmetern gelegenen Ort erreiche, vergehen einige steile Kurven vor einem wunderbaren Panorama. Baustellen und der Einbahn-Straßen-Verkehr bringen mich bei der Anreise fast zum Verzweifeln. Da bin ich lieber zu Fuß im Berg. Aber schließlich ist auch die letzte Hürde der Anreise genommen. Einräumen, Sortieren und hinaus geht es für einen ersten Überblick, wo ich mich hier eigentlich befinde. Die Sicht auf die um mich in Wolken vernebelten Bergspitzen macht mich sprachlos. Ehrfürchtig blicke ich über das Zentrum Richtung Bergkulisse und mein Respekt steigt ins Unermessliche.

    Am Abend stelle ich fest, dass ich mein Shuttle zum Start falsch gebucht habe, statt von Verbier von Le Chable zum Start nach La Fouly, das 10 Kilometer talwärts liegt. Ich stelle fest, dass die Startnummernausgabe sich ebenfalls in Le Chable befindet. Zu viel privates Chaos im Vorfeld, hat mich da etwas unaufmerksam gemacht, was sich jetzt rächt. Ich versuche die Ruhe zu bewahren und nehme mir vor, mir am nächsten Tag in aller Ruhe einen Überblick zu verschaffen.

    Hürden, auch organisatorische sind dazu da, genommen zu werden! Am nächsten Tag finde ich für die meisten meiner kleinen Probleme Lösungen. Ein schneller Einkauf und dann geht es endlich in den Berg. 600 Höhenmeter mit viel Anstrengung, die Höhe macht mir zu schaffen, aber hier im Berg bin ich in meinem Element. Wenn auch die Aussicht von dichten Wolken getrübt ist, ich genieße meine langsamen Schritte bergauf und halte inne, um einfach die Aussicht aufzusaugen.

    Foto: Harald Bajohr

     

     

    Zum Glück sind heute kaum Mountain-Biker:innen auf den Trails unterwegs, so habe ich meine Ruhe und es droht keine Gefahr von Downhill Enthusiasten versus Trailrunner. Verbier ist ein Mekka für alle Sportler:innen, vom Drachenflieger, Golfer, Skisportler, MTBler bis hin zu Trailrunner:innen. Es ist international, obwohl die englische Sprache hier in Verbier an vielen Orten eher Mangelware ist. Ich erfreue mich bergauf an meiner Begegnung mit der Kassiererin im Supermarkt, die zuerst Englisch, dann Deutsch mit mir sprach. Eine Ausnahme – trotz des internationalen Publikums.

    Auf dem Weg zurück begegnet mir ein freundlicher Hund, der sich gerne mir angeschlossen hätte. Aber als treuer Vertreter seiner Spezies zog er es dann doch vor, bei seiner Familie zu bleiben. Das Posen für ein Foto nahm er eher widerwillig hin. Aber auch diese kleine Begegnung ist jetzt schon festgeschrieben in meinem Buch des Lebens.

    Und so langsam erkennt man auch im Stadtzentrum, dass der UTMB hier Halt macht. Es wird fleißig gebaut. Irgendwo steht eine große Holzkiste mit der goßen Aufschrift „UTMB World Series“ und darüber hängt ein kleiner roter Zettel mit dem handschriftlichen Vermerk „Finisher“. Ob da wohl die Medaillen drin sind? Ich kehre gerade rechtzeitig vor dem großen Regen, der sich schon angekündigt hatte, in meine gemütliche Ferienwohnung zurück. Aber der Wettergott wird zum Wochenende ein Erbarmen haben, da bin ich mir sicher.

    Es ist die große Spannung, die seit Tagen von mir Besitz ergriffen hat und mit jedem Tag ein bisschen unerträglicher wird. Der Trail Verbier St Bernard by UTMB ist ein weiteres Highlight in meiner Lauf-Vita. Schon alleine an der Startlinie stehen zu dürfen ist eine Ehre und erfüllt mich angesichts dieser großartigen Kulisse mit purer Dankbarkeit. Was der Renntag bringen wird, bleibt abzuwarten. Auch und gerade der X-Traversée ist ein absolutes Erlebnis mit ungewissem Ausgang, aber auf jeden Fall schon jetzt eine mehr als lohnenswerte Herausforderung. Im Angesicht mit dem großen St Bernard werden alle anderen Sorgen auf einmal so klein.

     

     

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