Zwei Menschen, ein Ziel und dennoch eine andere Welt. Unterschiedlicher könnte die Herangehensweise an den UTMB 2019 wohl kaum sein. Nicht nur die Streckenlängen – kürzeste und längste – differieren, sondern so ziemlich alles was die Vorbereitung angeht. Dennoch bleibt es ein Ziel: Chamonix am Mont Blanc!

    Wer bin ich? 

    Foto: Harald Bajohr

    Gritt: 

    Laufen ist meine allererste Erinnerung in meinem Leben: ein Volkslauf mit einer Länge von 800 Metern, den ich im zarten Alter von 3 Jahren in’s Ziel brachte. Seither klebe ich am Laufen – mal mehr und mal weniger, denn Triathlon ist meine zweite sportliche Leidenschaft, aber auch hierzu gehört ja das Laufen. Ein Leben ohne? Schwer vorstellbar! Dass ich besonders gerne in den Bergen unterwegs bin und Höhenmeter mache, steckt auch seit Kindesbeinen in mir. Meine Mama war von einer Alm in Österreich und so verbrachten wir alle Urlaube in den Bergen. Mein Rucksack war fast größer als ich selbst und die kleinen Füße kämpften sich früh und tapfer von Gipfelkreuz zu Gipfelkreuz. Ich habe schon viele Bergläufe gemacht, Ultratrails und auch kürzere Distanzen, aber im Angesicht des Mont Blanc zu laufen, jagt mir einen wohligen Schauer über den Rücken. 

    Foto: Gritt Liebing

    Harald: 
    Laufen ist eine, meine Leidenschaft. Mittlerweile laufe ich seit 25 Jahren und es war mir alles andere als in die Wiege gelegt, sondern viele Meter hart erarbeitet. Den so viel beschworenen Rausch der Endorphine habe ich weder bei meinen langen Läufen auf dem Asphalt noch in den Bergen erlebt. Dafür bin ich mit Aussichten und Begegnungen reich beschenkt worden, auch mit dem Erlebnis UTMB. Im Jahr 2009 bin ich zum ersten Mal gestartet und erreichte auf dem Zahnfleisch als einer der letzten Läufer das Ziel und ich hatte mir geschworen, nie wieder zu diesem unglaublichen Abenteuer zurück zu kehren. Doch der Mont Blanc und Chamonix haben mich in ihren Bann gezogen und so darf ich mich in diesem Jahr bereits zum sechsten Mal von dieser einzigartigen Magie in ihren Bann ziehen lassen. Der UTMB ist Nervenkitzel pur im wahrsten Sinne des Wortes und jedes Mal auf´s Neue ein Gänsehaut-Erlebnis.

    Die Registrierung 

    Foto: Gritt Liebing

    Gritt: 

    Yes! Genau das sagte ich laut vor mich hin und ballte dabei eine Faust, als die Anmeldung zum MCC soweit als zunächst möglich abgeschlossen war. Ein Blick in meine Mails bestätigte genau dieses Feeling: ‚Yes! The adventure begins today!‘, lese ich auf der Mail meiner Anmeldebestätigung. Eine kleine Träne rollt. Ich kann es nicht in Worte fassen, was es für mich bedeutet, im Rahmen des UTMB selbst an einem Lauf teilzunehmen. Ein Wunsch, ein Traum, der seit Harald’s erstem Start beim UTMB und meinem ersten Blick auf den Mont Blanc in Chamonix im Jahr 2009 völlig außerhalb meiner Möglichkeiten schien. 2019 soll also mein Jahr am Mont Blanc werden!

    Foto: official photograph

    Harald:

    Schon alleine die Anmeldung lässt Schauer den Rücken hinablaufen. Routine kann bei einem solchen Lauf niemals eintreten, jedenfalls nicht für mich. Die Lotterie bei der Startplatzvergabe ist eine Sache, das anschließende Anmeldeprocedere mit den einzelnen Stufen die kleinere Hürde – von der Anmeldung übers ärztliche Attest bis zum Hinterlegen der Mobilnummer. Alles ist fast wie immer, nur die rot markierten Qualifikationspunkte bereiten mir Unsicherheit und Kopfzerbrechen. 15 Punkte mühsam zusammen gerafft, das muss doch reichen. Die 4 vom Innsbruck Alpine Trailrun Festival sind allerdings rot hinterlegt – ich nehme an, das betrifft die neuen Normen, die neue Koop mit der ITRA und den eigenen UTMB-Formaten in China, im Oman und demnächst auch in Spanien. Also ist erst einmal Entspannung angesagt – für dieses Jahr wird es noch reichen und was danach kommt, das steht auf einer anderen Seite meiner Laufzukunft.

    Wettkämpfe im Vorfeld

    Gritt: 
    Hals über Kopf und vielleicht ein wenig übermotiviert, geht es mit mir durch und ich entscheide mich ganz spontan direkt nach meiner Registrierung zum MCC, den Nachtmarathon in Marburg zu laufen. Da mein Training dieses Jahr bis zu diesem Zeitpunkt mit dem Fokus auf Triathlon ausgelegt war, genauer genommen auf Ironman 70.3, war es wohl ein klein wenig vermessen, einen Marathon aus dem Ärmel schütteln zu wollen. Ich kam in’s Ziel, in 4:37h, was für mich durchaus keine schlechte Zeit ist, aber bei Kilometer 30 war der Akku komplett leer. Zu wenige lange Trainingseinheiten, das machte sich deutlich bemerkbar. Weniger spontan starte ich nach Absprache mit dem Trainer in Bad Pyrmont beim Halbmarathon. Heiße Temperaturen, ordentlich Höhenmeter, viel Wind, eine traumhaft schöne Strecke und eine Zeit von 2:15h hinterlassen ein sehr gutes Gefühl. 

    Harald:
    Während Gritt Zuhause die Stellung hält, habe ich mit dem K85 beim Innsbruck Alpine Trailrun Festival immerhin schon einmal ein langes Rennen hinter mir. Spontan entschied ich mich für die Teilnahme am Stubai Ultratrail, der am Vortag der Outdoor-Messe in München stattfindet. 5 Kilometer vor dem Ziel auf dem Stubaier Gletscher hatte mich das Zeitlimit überholt. Das DNF zermürbt mich, auf der anderen Seite war das ein super Training: 60 Kilometer mit 5.000 Höhenmeter im anspruchsvollen Gelände – ein weiterer Schritt in Richtung UTMB ist gemacht, so hake ich diesen Lauf nicht als Scheitern, sondern als Gewinn ab. Genauso spontan reiste ich zu den SALOMON 4 Trails – die Strecken eigentlich zu kurz, dafür die tägliche Belastung von rund 25 Kilometer und 1.500 Höhenmeter muss man auch erst einmal machen. Am Ende der vier Tage ist mein Ego wieder aufpoliert, weil ich mit einer Medaille und dem Finisher-Shirt nach Hause reise. Jetzt erst einmal eine kleine Auszeit, bevor ich mit der direkten Vorbereitung auf Chamonix wieder die Laufschuhe schnüre.

    Training und andere Vorbereitungen

    Gritt: 
    Ich bin ein Mensch, der Strukturen braucht und das auch – und besonders – im Training. Daher gönne ich mir den Luxus eines Trainers. Ein wenig Panik machte sich breit, da der Vorbereitungs-Marathon nicht ganz wunschgemäß lief, denn am 26. August will ich ja mit dem MCC auch einen Marathon laufen und der hat auch noch 2300 Höhenmeter. Der Trainer reagiert entspannt und stellt den Trainingsplan mal ganz fix um. Schwimmen nur zum Entspannen, auf dem Rad eine solide Basis halten, dafür Laufkilometer abspulen. Tempoeinheiten, Intervalltraining und natürlich lange Einheiten im Gelände. Dass ich das Ziel in Chamonix nach spätestens 10 Stunden – denn so ist das Zeitlimit beim MCC – erreiche, daran zweifeln weder Trainer, noch Freunde, noch Familie, noch Harald. Nur bei mir klopft der Zweifel an – tagsüber während des Trainings, aber auch Nachts in den Träumen, wo ich durch die Berge irre und die Strecke nicht finden kann. Das wird sicherlich nicht passieren, denn der UTMB mit all seinen Rennen ist perfekt organisiert. Aber das Unterbewusstsein spielt seine Spielchen. 

    Ich fange schon an, den Rucksack zu packen – zum Test. Überprüfe ob mir etwas für die Pflichtausrüstung fehlt. Neues Schuhwerk wird aus dem Karton genommen und getestet. Fühlt sich gut an! Neues Equipment motiviert ja immer – obwohl ich eigentlich gar keine Motivationsspritze brauche – aber es macht Spaß! Und es lenkt ein wenig ab von der Aufregung. Ja, sie ist jetzt schon groß und ich habe keine Ahnung wie das noch werden soll. Aber vielleicht entspanne ich mich ja mit zunehmenden Trainingskilometern, wenn das Laufen läuft – was bei mir fast immer der Fall ist. 

    Die Zweifel die immer wieder auftauchen kommen nicht von ungefähr, denn dieses Jahr hatte ich schon richtig Pech und zwei folgenreiche Stürze verhinderten Training, Wettkämpfe und um ehrlich zu sein, ich habe immer noch mit den Folgen zu kämpfen. Aber das ist mein Stichwort: Kämpfen! Das kann ich! Und ich gebe niemals auf! Ich würde mich freuen, wenn die Sonne – nicht nur für mich, sondern für alle Teilnehmer des MCC – scheint, aber mein Lächeln wird auch nicht kleiner sein, wenn es regnet. Meine Sonne scheint von innen! Mit jedem Tag rücke ich meinem Traum ein Stückchen näher und meine Emotionen hoppeln mit mir auf und davon. Aber warum soll ich nicht auf dieser Gefühlswelle surfen? Solange sie mich in’s Ziel nach Chamonix begleitet, ist alles perfekt! 

    Harald:
    Freestyle ist mein Motto. Ich habe keinen Plan, ich laufe einfach. Viele meiner Vorbereitungen auf große Rennen entsprangen einem groben Plan, den ich mir im Kopf zurecht gelegt hatte. Früher waren das meistens zwei entspannte Laufeinheiten pro Woche mit circa 12-15 Kilometer, einem Lauf von knapp 20 Kilometer in der Mitte der Woche sowie einem langen Lauf pro Woche, den ich aufs Wochenende gelegt hatte und den ich oftmals im Rahmen eines „offiziellen“ 30km, Marathon-Laufs oder einem kleineren Ultra absolviert hatte. Ergänzt wurde das Lauftraining von sporadischen Schwimm- oder Radausflügen. Mittlerweile habe ich die Laufkilometer weiter reduziert und stattdessen mit Koordinations- und Krafttrainingsübungen ersetzt. Der Zahn der Zeit nagt. War ich früher dehnfaul, gehört es heute selbstverständlich zum Training dazu. Aber noch immer vertraue ich bei meiner Vorbereitung auf meine Lauferfahrung und dem Wissen, was ich mir im Laufe der Jahre angeeignet habe. Leise Zweifel spuken natürlich immer im Kopf herum. Ich wage zu behaupten, dass es einfacher ist, wenn man nicht weiß, was auf einen zukommt. Dann tut es weniger weh, aber die Emotionen ebben ganz sicher auch bei mehrmaliger Teilnahme nicht ab. 

    Zwei wesentliche Punkte machen mich vor jedem Laufabenteuer nervös: Die Suche nach dem optimalen Rucksack und die Schuhfrage. In meinem Fundus gibt es von Beidem ausreichend, aber das Richtige war noch nie vor dem UTMB dabei. Spontankäufe strapazieren weniger mein Nervenkostüm wie Gritt’s. Es ist schon vorgekommen, dass ich am Tag vor dem Start zum UTMB in Chamonix noch schnell ein paar Schuhe gekauft habe, mit denen ich dann auch tatsächlich gelaufen bin. Oder 30 Minuten vor dem Start im Getümmel noch die Socken gewechselt habe. In diesem Jahr habe ich mir allerdings vorgenommen, rechtzeitig sicher zu sein, die idealen Schuhe und den perfekten Rucksack gefunden zu haben. Ob es allerdings tatsächlich so kommen wird, das bleibt eine Überraschung – sowohl für mich als auch für Gritt.

    Emotion pur beim UTMB 2018, Foto: Adrian

    Der UTMB schreibt seine ganz eigenen Gesetze und auch wenn ich mittlerweile abschätzen kann, was mich erwarten wird, kann man sich nie sicher sein, auch tatsächlich das Ziel zu erreichen. Ich habe schon alle Wetterkapriolen erlebt, habe erfahren müssen, was es heißt eine Minute vor dem Cut-Off an einer Verpflegungsstelle mit halb angezogener Regenhose und -jacke noch schnell loszuhetzen. Habe Tränen von Mitstreitern fließen sehen, die am letzen Verpflegungspunkt aus dem Rennen genommen worden sind, weil sie ein paar Sekunden zu spät waren. Und habe vor allem selbst erleben dürfen, welch einmalige Stimmung in Chamonix im Ziel herrscht und wie man sich feiern lassen darf, wenn man es tatsächlich geschafft hat. Ob YCC, MCC, OCC, CCC, TDS, UTMB oder PTL – jeder der sich dieser Herausforderung stellt, ist schon ein kleiner Held, der ein ganz großer wird, wenn er oder sie die Ziellinie überschreitet. Natürlich habe ich keine Zweifel, dass Gritt es schaffen wird, aber angesichts des Mont Blanc haben die Rennen des UTMB ihre eigenen Gesetze. Und so werde ich jeden Meter von Gritts Weg mit meiner Willenskraft stärken, um sie am Ende im Ziel zu empfangen. So wie sie es schon so oft bei meinen vorherigen Teilnahmen gemacht hat.

    Zwei Menschen, zwei Träume, gemeinsam gelebt. Das ist der UTMB 2019 für uns! 

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