Aus Sicherheitsgründen aufgrund schwieriger Wetterverhältnisse wurden alle langen Strecken des TVSB by UTMB verkürzt, der X-Traversée sogar komplett abgesagt.

    Trotz harscher Kritik an den Entscheidungen, der UTMB und die lokale Organisation haben richtig gehandelt und dabei einmal mehr eine einzigartige Atmosphäre kreiert.

    Als wollte der Himmel den Trail Verbier St Bernard by UTMB verhöhnen: Die Organisation, die vielen Helferinnen und Helfer, die Bergrettung und die Streckenverantwortlichen und natürlich die vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Am Freitag zeigt er sich nämlich strahlend blau in Le Chable, Sonnenschein pur beim Abholen der Startnummern. Doch die Stimmung ist seit gestern Abend getrübt: Die langen Rennen massiv gekürzt, der X-Traversée abgesagt. Statt 76 Km und 5.300 Höhenmmeter wird den gemeldeten Läuferinnen und Läufern ein Rennen über 17 Kilometer mit 1550 Höhenmetern angeboten. Ab Samstag Nachmittag wird Starkregen erwartet, Gewitter, Nebel, schon am Freitag sind Wege in Val de Bagne unpassierbar, Brücken zerstört, Menschen wurden evakuiert. Es gibt Wichtigeres, Existentielleres als ein UTMB Event, und doch sitzt die Enttäuschung tief.

    In den sozialen Netzwerken bricht ein Sturm der Empörung los. Die Enttäuschung mündet mehrheitlich in Unverständnis, in Phrasen, in nicht umsetzbaren Vorschlägen. Statt Verständnis, Wut auf die Organisation. Statt Abwarten wie das Ergebnis aussieht, schon vorher wutentbrannte Schimpfkanonaden auf den UTMB. Solange Einzelne sich feiern können, sonnt man sich unter dem UTMB Schirm. Werden schwere Entscheidungen getroffen und diese einzig und allein aus Sicherheitsgründen, schimpft man auf den Kommerz des Trailrunnings. Auch ich bin enttäuscht, aber die getroffenen Entscheidungen waren exakt richtig. Spätestens beim Erreichen des höchsten Punktes der 17 Kilometer-Strecke auf 2.200 Meter sollte allen klar geworden sein, wie schnell das Wetter zu einem Sicherheitsrisiko wird. Die Luft kalt, eisiger Regen und Wind, dichter Nebel, ich möchte mir nicht ausmalen, wie es auf 2.600 Metern Höhe ausgesehen hätte. Dazu Starkregen. Ich bin einfach froh, diese 17 Kilometer laufen zu dürfen. Es ist immer noch etwas Besonderes, an einem solchen Rennen teilnehmen zu dürfen, Teil einer internationalen Gemeinschaft sein zu dürfen, die eine Leidenschaft verbindet. Und auch diese kleine Strecke hat es in sich: Die 700 Höhenmeter hinab nach Verbier sind durchaus anspruchsvoll, die 1550 Höhenmeter bergauf ohnehin, und am Ende ist die Stimmung beim Zieleinlauf vielleicht ein bisschen gedrückt, aber immer noch unschlagbar gut.

    Die X-Traversée Teilnehmer:innen werden reich belohnt: Medaille und Finisher-Shirt, als wären wir die große Strecke gelaufen. Es ist ein bisschen wie sich mit fremden Federn schmücken, aber verdient haben wir es irgendwie trotzdem. Immerhin sind wir an den Start gegangen und haben Respekt gegenüber Helferinnen und Helfern gezeigt, die sich hier Tag für Tag selbstlos für ein paar Läufer engagieren. Diejenigen, die auf einen Start verzichtet haben, aus Groll und Unverständnis oder selbst aus Kostengründen, die haben etwas verpasst.

    Auch das Trailrunning hat sich verändert, es ist individualistischer, exzentrischer, lauter geworden. Postings von den höchsten Gipfeln in den sozialen Netzwerken, das Teilen von Eindrücken mit Unbekannten, statt mit denen, mit denen man unterwegs ist, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Sich gemeinsam zu freuen, gemeinsam zu feiern, auch das findet kaum mehr statt. Ob Kommerzialisierung oder Egoismus, was ist daran so schwierig, sich die Hand zu reichen und sich gemeinsam zu freuen?

    Zugegeben: Ja, ein bisschen neidisch bin ich am Freitagabend auch als die X-Alpine Teilnehmer:innen abends um 22:00 Uhr auf die auf 60Km verkürzte Strecke (statt 140Km) geschickt werden, oder am Sonntag morgen die X-Plorer auf die 26Km Strecke und die Marathonläufer:innen ebenfalls auf eine verkürzte Variante geschickt werden. Aber ich gönne es ihnen von ganzem Herzen und erfreue mich bei vielen Zieleinläufen über glückliche Gesichter. Auch das zählt zu einer Gemeinschaft: Miterleben und Mitfeiern, auch dann, wenn man einmal sich nicht selbst in den Mittelpunkt rückt. Ich gönne mir am Mittag unter wolkenverhangenem Himmel eine kleine Auszeit vom UTMB-Trubel und entschwinde auf eigene Faust in die Berge. Erfahre wie fantastisch die Bergkulisse rund um Verbier ist, treffe auf den Trails tolle Menschen. Smalltalks unterwegs, die den eigenen Horizont erweitern. Auch das ist Trailrunning. Die Berge entfalten zusehends ihre Macht, was wollen wir als Menschen dagegen setzen. Unverständnis? Vorwürfe? Den Egoismus in den Vordergrund stellen? Nur gemeinschaftliches Handeln kann uns selbst weiterbringen.

    Wieder zurück von meiner kleinen Tour, fange ich noch einmal UTMB-Atmosphäre am Spätnachmittag ein. Applaus für die letzten Finisher, sie haben ihn sich hart erarbeitet und mindestens genauso verdient wie die Siegerinnen und Sieger. Ich blicke auf meine Medaille, auf mein Finisher-Shirt und weiß, dass ich gerne wiederkommen möchte. Dann in der Hoffnung, dass der Wettergott beim nächsten Mal ein Erbarmen hat und ich beweisen kann, dass ich Medaille und Shirt wirklich verdient habe.

    Foto: Harald Bajohr
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