Ein schöneres Revival meiner Straßenlaufkarriere hätte ich mir nicht vorstellen können. Der X-BIONIC Lake Garda 42 hat meine Erwartungen hinsichtlich seiner Schönheit weit übertroffen.

    Meine Teilnahme am Lake Garda 42 war so ein back to the roots Ding – schließlich liegen nun einmal die Wurzeln meiner Laufanfänge auf der Straße. Mein letzter Start bei einem Straßenmarathon liegt nun schon einige Jahre zurück. Der vermeintliche Abschluss meiner Straßenlaufkarriere fand damals beim Frankfurt Marathon statt. Groß, stürmisch und mit dem Einlauf in der Festhalle auch irgendwie ganz besonders. Unzählige Kilometer bin ich auf Asphalt gelaufen, bei Marathons, 100Km-Läufen, 24h-Läufen – kein Weg war zu weit, keine Strecke zu lang. Dann hat es mich auf die Trails und in die Berge verschlagen. Dass ich noch einmal die Straßenlaufschuhe schnüren würde, war für mich lange Zeit undenkbar. Doch mit dem Lake Garda 42 klopfte eine neue sportliche Herausforderung an meine Tür. Zudem der Gardasee für mich bis dato ein völlig unbekanntes Terrain darstellte. Und das ist fast so wie noch nie auf Mallorca gewesen zu sein. 

    Bild: Harald Bajohr

    Nach langer Fahrt in Riva angekommen fühle ich mich ziemlich überfordert. Das Mountain Bike – Mekka begrüßt mich mit viel Verkehr auf den Straßen und geschäftigem Treiben. Nach ein paar extra Runden in den kleinen Kreisverkehren lande ich schließlich am Kongresszentrum, in dem sich die Ausgabe der Startunterlagen befindet. Den Lago di Garda habe ich bis hierher noch nicht gesehen, obwohl ich im Grunde genommen direkt davor stehe. Ich muss über mich selbst lachen, schnell ein Erinnerungsfoto vom Steg, dann geht es zur Startnummernausgabe. Am heutigen Freitagabend hält sich der Ansturm in Grenzen und schon halte ich meine 42 in der Hand. Wenn das mal kein Omen ist: Marathon mit der Startnummer 42. Neben Titelsponsor X-BIONIC und dem Souvenir-Stand tummeln sich noch zwei weitere kleinere Stände. Ein überschaubarer Rahmen, bei dem die Herzlichkeit und eine angenehme Grundstimmung das Warenangebot überwiegen.

    Mit dem Einbruch der Dämmerung geht es weiter zu meiner Unterkunft im Zielort nach Malcesine. Ich bin nach der Reise zu erschöpft, die prachtvolle Umgebung dieser Perle wahr zu nehmen. Erst am nächsten Morgen dämmert mir, mit welcher einzigartigen Aussicht ich belohnt werde. Ich schlendere durch die Gassen, herunter zum kleinen Hafen, entlang des Sees am Ufer, in dessen feinem Kiesbett die Wellen versanden. Um mich herum eine Bergkulisse, die ich nicht in Worten beschreiben mag. Ich bin völlig gefangen von dieser Aussicht und kann mich nicht satt sehen. Direkt gegenüber meines Standortes liegt der Startort Limone. Einfach einmal quer über den See und schon ist man dort. Die Überfahrt mit der Fähre spare ich mir, denn der Transfer nach Limone zum Start ist in der Anmeldegebühr inklusive. Die Vorfreude auf den Marathontag steigt. Es verspricht schon jetzt ein wundervolles Lauferlebnis zu werden.

    Zu der üblichen Anspannung vor einem Lauf gesellt sich ein gewisses Unbehagen dazu, das mich eine mehr oder minder schlaflose Nacht verbringen lässt. Ein Marathon auf Asphalt ist mit einem Lauf in den Bergen nicht zu vergleichen. Ein paar Trainingsrunden habe ich zwar auf dem unbeliebten Untergrund gedreht, aber ob das für einen Marathon reicht? Insofern bin ich über das Vorstellen der Uhr auf Sommerzeit nicht unglücklich. Pünktlich um 7:45 Uhr geht es von Malcesine mit der Fähre zum Start nach Limone. Die wenigen Eindrücke, die ich hier am sonnigen, aber noch recht kaltem Morgen sammeln darf, steigern meine Begeisterung für den Gardasee. Fast könnte in Vergessenheit geraten, warum ich eigentlich gerade hier bin. Den Aufruf zur Abgabe des Kleiderbeutels folge ich erst kurz vor knapp. Dann reihe ich mich am Ende des Starterfeldes ein und pünktlich um 9:00 Uhr macht sich die bunte Truppe aus vielen verschiedenen Nationalitäten auf die 42 Kilometer lange Reise nach Malcesine.

    Bild: Harald Bajohr

    Die ersten 10 Kilometer sind ein Augenschmaus. In den engen Gassen Limones geht es auf den ersten 2 Kilometern unerwartet steil zu. Immer wieder folgen Ausblicke auf den See. Schließlich geht es zum frei schwebenden Steg über den See bei blauem Himmel und schlagartig gestiegenen Temperaturen. Meine Begeisterung findet Nachhall in meinem Laufrhythmus. Ich weiß, dass ich im Grunde genommen angesichts meines Trainingszustandes zu schnell unterwegs bin. Aber vor dieser Kulisse fällt es mir schwer, mich zu bremsen. Nach 10 Kilometern erreichen wir die zweite Verpflegungsstelle in Riva. Von dort geht es weiter Richtung Arco. Wir laufen eine Schleife um Arco herum bis wir visuell wieder auf der absoluten Sonnenseite stehen. Schließlich ist das Kletterparadies Arco erreicht, in dem der Halbmarathon gestartet wird und ich denke, dass die Halbmarathonis auf jeden Fall etwas verpasst haben. Ich liege nach der Hälfte gut in der Zeit, aber ich weiß, dass ab jetzt nicht nur der Mann mit dem Hammer auf mich wartet.

     

    Entlang der Olivenhaine Richtung Kilometer 25 gebe ich dem Ruf des inneren Schweinehundes nicht nach. Motivierend die Dame mit dem Ultratrail-Shirt vor mir, die abwechselnd mal läuft und mal geht und mich immer wieder auf Abstand hält. Da bin ich wohl nicht der Einzige hier, der sich auf ungewohntem Terrain bewegt. Irgendwann überhole ich die Dame, die mich dann auf den letzten Kilometern Richtung Ziel doch stehen lässt, um mich dann jubelnd und beglückwünschend in einem Schwall italienischer Begeisterung im Ziel zu empfangen. Ab Kilometer 25 offenbart sich wieder die Sicht auf den See und auf die Berge. Der Himmel hat sich mittlerweile zugezogen und ein stürmischer Wind bläst uns entgegen. Die vielen Tunnel bieten bei purem Sonnenschein mit Sicherheit willkommene Abkühlung. Jetzt zieht es hier mächtig und dunkle Wolken kündigen die heiß erwartete Regenfront an. Südtirol ist seit Wochen von Trockenheit geplagt.

     

    Jenseits der 30 Kilometer sehne ich nur noch das Ziel herbei. Die Kirche und das Castello von Malcesine sind aus der Ferne deutlich zu erkennen. Direkt am Ufer schlängelt sich die Strecke entlang. Trotz der Belastungsrufe des Körpers kann ich die Aussicht genießen und die Eindrücke saugen sich ins Innerste. Der letzte Kilometer, jetzt wieder entlang der Hauptstraße wird zu einem einzigen Triumph. Hier werden auch die letzten Marathonis frenetisch bejubelt und gefeiert und zu keinem Zeitpunkt kommt das Gefühl auf, irgendwie die letzte Gurke zu sein. Im Gegenteil. Das Ziel ist erreicht und eine sehr speziell gestaltete Medaille ist der Lohn für die Anstrengung: Start-Nummer 42, 42 Kilometer gelaufen und die 42 prägt auch die Medaille. Rundum glücklich und sehr zufrieden genieße ich den Augenblick und nehme den Kleiderbeutel entgegen – einen der letzten Verbliebenen.

     

    Bild: Harald Bajohr

    Der Lake Garda 42 ist Dolce Vita, ist ein Augenschmaus und betört die Sinne. Eine Laufveranstaltung in einer anderen Welt, in der Zeiten keine Rolle spielen, sondern das Erlebnis an erster Stelle steht. Das Zeitlimit ist mit 6:40h mehr als großzügig und ich möchte gerne jedem Läufer und jeder Läuferin aus vollem Herzen empfehlen, diese ganz besondere Veranstaltung auf der Liste der Saisonziele für 2024 nach ganz oben zu setzen.

    Bild: Harald Bajohr

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