Maastricht, ein drittes Mal das Ziel meiner Träume. Der Lohn harten Trainings und vieler Entbehrungen. IRONMAN Maastricht-Limburg 2018, ein Tag wie kein anderer.

    Sonne satt und heiße Luft begrüßten uns dieses Jahr in Maastricht. Die Maas wartete mit Badenwannentemperaturen um die 26 Grad auf und so war von einer Bestzeit im Schwimmen nicht auszugehen, denn ohne Neoprenanzug bin ich definitv um einiges langsamer. Dass der dritte Start beim IRONMAN Maastricht-Limburg in Folge aber ein einziger Kampf gegen die Uhr und mich selbst werden sollte, das ließ sich jedoch nicht erahnen. Wenn die Zeit einem durch die Finger rinnt und man sie nicht aufhalten kann, dann wird ein Rennen zur Kopfsache.

    Unsere Ferienwohnung lag dieses Jahr nicht in der Einkaufsmeile rund um den Vrijthof, sondern im historischen Stadtteil Wyck. Eine wunderschöne Wohnung mit einem schnuckeligen Freisitz im Hinterhof und einer ganz besonderen Gastgeberin. Anne ist nicht nur super hilfsbereit, tierlieb und total freundlich, sondern finishte wie sich im Gespräch herausstellt, im letzten Jahr den IRONMAN Maastricht-Limburg nur fünf Minuten vor mir. Das verbindet. Für dieses Jahr noch nicht gemeldet, sind wir davon überzeugt, dass wir Teil der Motivation waren, weshalb sie doch noch kurzfristig mit einem Staffelteam an den Start ging, um dies als Marathonläuferin in’s Ziel zu bringen. Zudem ist Anne mit Mathon und Glenn befreundet. Diese beiden beweisen, dass IRONMAN viel mehr sein kann als reiner Sport. Es geht um eine besondere Verbindung, um zwei Menschen, die sich den Traum vom IRONMAN Finish gemeinsam erfüllen. Wenn Krankheit den einen daran hindert, dann springt der andere eben für ihn ein und nimmt ihn mit auf den Weg. Mit einem Boot beim Schwimmen gezogen, auf Spezialkonstruktionen beim Radfahren und Laufen transportiert, so erreichen Mathon und Glenn lange vor mir das Ziel. Freundschaft, Solidarität und für mich das grandioseste Finish des IRONMAN Maastricht-Limburg 2018.

    Auch in diesem Jahr wartete der IRONMAN Maastricht-Limburg mit einigen Änderungen auf. Gut für mich, denn ich mag Abwechslung. Das erfolgreiche Projekt Women for Tri wurde in Maastricht erstmals in Europa präsentiert. Frauen für Sport zu begeistern, für den sportlichen Dreikampf, das steckt hinter dieser Kampagne. Mit Triathlonlegende und Botschafterin Julie Moss, war die perfekte Frau mit diversen Aktivitäten für die Damen vor Ort, was nicht nur bei mir viel Anklang fand.

    Die Wechselzone wurde genau wie die Anmeldung und das Expogelände auf die andere Seite der Maas geholt, zentrumsnah und nahe der Finishline. Logistisch ein Volltreffer für alle Beteiligten. Die Augustijnenkerk, eine Kirche, als Location für Wettkampfbesprechung und Siegerehrung war ein guter Tausch gegen die Zelte in den Jahren zuvor und bot ein Flair was wohl weltweit bei IRONMAN Events seinesgleichen sucht.

    Auch an allen drei Strecken wurden leichte Veränderungen vorgenommen, was jedoch dem speziellen Charakter des IRONMAN Maastricht-Limburg keinen Abbruch tat, dennoch für „Wiederholungstäter“ wie mich Abwechslung bot. Alles in allem lauter sinnvolle, gute Veränderungen, die den Athleten entgegenkamen und genau auf die kommt es ja an.

    Düster, wolkenverhangen, windig und kühl präsentiert sich der Wettkampfmorgen. Das Schwimmen ohne Neopren war trotzdem für niemand überraschend und mental hatte ich mich ja voll darauf eingestellt. Warum ich dann von Anfang an beim Schwimmen keinen Rhythmus finden konnte, kann ich nicht sagen.

    Die Maas und ich wurden einfach keine Einheit. Die Orientierung machte mir Probleme und Strömung und Wellen waren nicht gerade hilfreich. Einfach nur geradeaus schwimmen, klingt sehr simpel in der Theorie, war mir in der Praxis leider nicht möglich. Zickzack durch’s Wasser. Ein kurzer Blick auf die Uhr am Wendepunkt lässt Mundwinkel und Stimmung nach unten sinken. Wenn nicht noch ein Wunder geschehen würde, würde ich statt der angepeilten 1:40 – 1:50h über zwei Stunden im Wasser verbringen.

    Es geschah kein Wunder. Und es war auch nicht hilfreich, dass ein anderer Teilnehmer mir versehentlich den Zeitmesschip fast vom Fußgelenk gezogen hat und ich mich auf den Rücken drehen musste, um diesen wieder richtig zu befestigen. Nach super enttäuschenden und ewig langen 2:06h klettere ich entkräftet aus dem Wasser und die Anfeuerungsrufe von Harald und Ingemar enden in einem leeren Hirn.
    Verzweifelt mit Gedanken nur rund um das Zeitlimit verlasse ich die Wechselzone und trete schnaubend in die Pedale. Müde bin ich und hoffnungslos das Rennen im Zeitlimit beenden zu können.

    Irgendwo zwischen Kilometer 30 und 40 brüllen und toben sich Tanja, Roland und Harald die Seele aus dem Leib. Mit dabei auch Tierschutzhund Theo aus Sardinien, internationale Anfeuerung also. Bewaffnet mit rosa Püscheln und großen bunten Flaggen, Anfeuerung par Excellence, das habe ich mir immer gewünscht. Genießen kann ich das nicht und das frustriert in dem Moment noch mehr. „Leben am Limit“, brabbel ich vor mich hin und trampel weiter, immer mit Blick auf die Uhr, die sich erbarmungslos fortbewegt. Dass zwischenzeitlich die Sonne vom Himmel brennt, der Asphalt glüht und der Wind seine Spielchen treibt, geht völlig an mir vorüber. Ich habe wunderschöne Dörfer und tolle Landschaften auf der Radstrecke gesehen, genauso wie gemütliche Kühe unter schattigen Bäumen, freundliche Schafe entlang der Maas und eine Schwanenfamilie. Wahrgenommen habe ich auch die endlos vielen Anfeuerungsrufe fremder Menschen und meiner bunten Dreier-Gang, genau wie die helfenden Hände und aufmunternden Worte der unzähligen Volunteers an den Verpflegungspunkten, die mir vorkamen wie das Schlaraffenland. „Go wild“!, ist der Satz mit dem ich mich immer wieder selbst motiviere. Eine freundliche Entenfamilie die es sich mitten auf der Strecke gemütlich gemacht hatte und die Radbrille, die nicht auf der Nase bleiben wollte und mich zum Absteigen zwangen, nahm ich nebenbei mit, ohne Groll.

    Wahrscheinlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt die Jagd nach dem Zeitlimit kurzfristig aufgegeben. Doch die Pedale drehten sich schneller als die Zeiger der Uhr und so schaffe ich es nach 7:36h auf dem Rad in die Wechselzone zur letzten Disziplin. Nicht einmal zehn Minuten vor Zeitlimit. Spaß hatte ich nicht, wie sich auch später auf den Fotos zeigen wird. Es war ein Kampf, nicht mehr und nicht weniger. Fast möchte ich die Luft anhalten, viel lieber noch die Zeit, aber Laufen geht bei mir immer irgendwie, darauf baue ich jetzt, also voran. Von meinen letzten beiden Teilnahmen beim IRONMAN Maastricht-Limburg weiß ich, dass die vier Runden beim Laufen auf einer einzigen Partymeile stattfinden, was einem ein Aufgeben quasi unmöglich macht. Bedingt durch das wunderbare Sommerwetter, ist die Party dieses Jahr so richtig im Gange und natürlich sind da die besten Groupies der Welt: bunt, laut, optimistisch! „Wer hat die besten Beine? Die Gritt!“ Der Satz hallt mir immer wieder hinterher. Konzentriert und konsequent bewege ich mich von Verpflegungspunkt zu Verpflegungspunkt, die mir wie Oasen erscheinen. Mein Vorankommen ist wie das einer kleinen Maschine.

    Eine Rennrechenmaschine, die immer artig einen Fuß vor den anderen setzt und den Blick erst in der letzten Runde immer mal wieder von der Uhr abwendet. Ich bedanke mich bei den Helfern, klatsche kleine und große Hände ab und ungefähr vier Kilometer vor dem Ziel huscht erstmals ein Lächeln über mein Gesicht. Der Blick auf die Uhr lässt dies auch zu, denn das Zeitlimit ist in sicherem Abstand. Bei 5:37h bleibt die Zeit für den Marathon stehen. Die Zielgerade leuchtet mir entgegen, bunt und strahlend mitten in der Dunkelheit. Genau dafür habe ich alles gegeben, gekämpft wie eine Löwin. Ich habe dem Kopf immer wieder gesagt, dass er den müden Körper übertrumpfen kann. Umarmungen mit Harald, Tanja und Julie Moss, Tränen die ihresgleichen suchen, die Zeit steht still, endlich. Für diesen Moment! Wie auf einer Wolke schwebe ich vor mich hin, umringt von Menschen und dennoch nur bei mir selbst, allein – fast schon einsam, aber eine erfüllte Einsamkeit.

    Wie heißt es im Song der „Toten Hosen“? „Mein größter Feind, das bin ich“. 15 Stunden, 32 Minuten und 25 Sekunden hatte ich Zeit den Feind zum Freund zu machen, um mir nicht selbst im Weg zu stehen und um am Ende zum dritten Mal in Folge die Finishline des IRONMAN Maastricht-Limburg zu überqueren und diesen einen Satz zu hören: „You are an IRONMAN!“

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