Sich zu verstecken hat Ildikó Wermescher nicht nötig. Dafür ist die Liste ihrer sportlichen Erfolge zu lang. Trotz ihrer zahlreichen nationalen und internationalen Top-Platzierungen bei Langstreckenläufen auf der Straße und bei Ultratrails in den Bergen ist die in Rumänien geborene Ungarin bescheiden geblieben.
Da wären zum Beispiel im vergangenen Jahr der 6. Platz beim UTMB oder der 2. Platz über 101 Kilometer beim Eiger Ultratrail sowie in diesem Jahr der dritte Platz beim Madeira Island Ultratrail über 85 Kilometer, der Sieg beim Zugspitz Supertrail XL und beim Swiss Irontrail über die 91 Kilometer. Erfolge, die man der sympathischen Ungarin, die auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, sehr gönnt. Denn es lief im Leben der erfolgreichen Athletin nicht immer alles so glatt.
Aufgewachsen ist Ildikó in den heute rumänischen Ostkarpaten: „Es gibt viele Ungarn, die dort in Rumänien leben und arbeiten. In der Ceausescu-Ära war es der ungarischen Bevölkerung untersagt, die eigene Sprache zu sprechen. Ungarisch war auch noch außerhalb meiner Familie verpönt und ich habe mir immer gewünscht, nach Ungarn zu ziehen. Das habe ich nach meiner Schul- und Studienzeit dann auch sofort gemacht“. In Budapest arbeitete Ildikó als Lehrerin für Mathematik und Physik. Dort lebte sie bis zum Jahr 2010 und hatte eigentlich auch nicht vor, die ungarische Heimat zu verlassen.
Mit dem Laufen hat die heute 50-Jährige 1996 begonnen als sie ihren Mann kennenlernte. Der ehemalige rumänische Fünf-Kämpfer mit deutschen Wurzeln hält sich neben seiner Arbeit als Abteilungsleiter bei einer Bank mit dem Laufen fit. „Ich habe Otto beim Laufen begleitet und es hat mir einfach Freude gemacht. 2003 bin ich dann in Budapest meinen ersten Marathon gelaufen. 3:43h war damals keine besonders gute Zeit, aber ich war gar nicht müde und es waren zufällig Ungarische Marathonmeisterschaften, bei denen ich den zweiten Platz in meiner Altersklasse belegen konnte. Da stand für mich fest: Marathon macht Spaß, das mache ichl“ erzählt Ildikó.
Ildikó Wermescher hatte bis zu diesem Zeitpunkt eine sportliche Vorgeschichte, die allerdings ihre Basis nicht im Laufsport hatte. „Vor dem Laufen habe ich in Ungarn an Langstreckenwanderungen über 100 Kilometer oder mehr teilgenommen, vielleicht haben mir auch deswegen schon immer Landschaftsläufe besser gefallen.“ Zunächst feierte die zweifache Mutter ihre größten Erfolge jedoch auf der Straße. Bei der Weltmeisterschaft in Winschoten 2007 startete sie für das ungarische Nationalteam und legte mit 8:59h eine beachtliche Zeit über die 100 Kilometer hin. Ein Jahr später startete sie beim Ultrabalaton über 200 Kilometer und konnte das Rennen gewinnen. Zu diesem Zeitpunkt absolviert Ildikó parlell zahlreiche Straßen- und Landschaftsläufe. Sie ist vom Laufvirus mehr und mehr infiziert. Im Jahr 2009 startet sie bei den Trailrunning-Weltmeisterschaften und beschließt, sich von jetzt an auf Ultratrails zu spezialisieren. „In Budapest kann man kaum Höhenmeter laufen und plötzlich lief ich bei der WM auf über 3.000 Metern Höhe. Ich hatte Schwierigkeiten, Luft zu bekommen, aber es hat mir sehr viel Spaß gemacht durch die beeindruckende Landschaft zu laufen“ erinnert sie sich. Die Affinität zum Gebirge liegen in Ildikós Kindheit, Jugend- und Studienzeit begründet. Von Kindesbeinen an war sie zunächst mit ihrem Vater viel unterwegs, später während des Studiums durchwanderte sie die kompletten Karpaten. Eine willkommene Abwechslung von der Kopfarbeit.
Schließlich folgt 2010 doch der Umzug nach Deutschland. „Otto und ich sind seit 1996 zusammen und haben im Jahr 2000 geheiratet. 14 Jahre haben wir eine Fernbeziehung geführt und uns am Wochenende und in den Ferien gesehen. Ich wollte einfach mehr Zeit mit Otto und der ganzen Familie verbringen.“ Mit dem Umzug nach Landsberg in Bayern offenbarten sich nebenher auch ganz neue Trainingsmöglichkeiten. „Heute tut es mir wirklich leid, dass ich nicht schon früher nach Deutschland gezogen bin. Ich fühle mich einfach wohl hier in Bayern“. Die ausgebildete Lehrerin arbeitet heute als Integrationspädagogin in einer Montessori-Schule.
Im letzten Jahr bremste sie ein Arbeitsunfall in ihren sportlichen Ambitionen. „Ich hatte mir im Sommer eine Fußverletzung zugezogen und konnte dann beim UTMB nicht mit 100prozentiger Leistung laufen und auch in diesem Jahr hatte ich Pech und musste meine Ziele neu definieren und Abstriche machen. Eine Knöchelverletzung, die nur schwer heilt, hielt mich davon ab, die langen Strecken zu laufen. Jetzt muss ich erst einmal sehen, dass die Verletzung richtig ausheilt“ so die Athletin. Für dieses Jahr möchte sie eventuell noch beim Arosa Trail an den Start gehen, insofern es ihre Verletzung zulässt. Doch die großen Ziele hat sie sich für die Saison 2016 gesetzt. „Ich möchte noch einmal beim UTMB starten, weil ich davon überzeugt bin, dort noch besser abschneiden zu können und natürlich ist der T201 beim Swiss Irontrail ein großes Ziel im nächsten Jahr. Schon alleine auch, weil mein Sponsor Mammut dort ein wichtiger Partner ist“.
Bei dem hatte sie sich übrigens über ein Formular auf der Webseite beworben.“Ich war auf der Suche nach einem Team und einem Partner und da hatte ich mich einfach bei Mammut beworben. Schließlich haben wir uns in der Schweiz getroffen und wir haben schnell gemerkt, dass wir gut zusammen passen. Es ist ein sehr freundschaftliches Verhältnis, das uns heute verbindet. Mammut, das ist wie eine Familie“ schwärmt Ildikó Wermescher. Besonders schätzt sie die Entscheidungsfreiheiten, die den Athleten des Mammut Pro Teams gelassen werden und dass die Meinung der Athleten immer ernst genommen wird. „Wir können sagen, was uns wichtig ist. Das führt am Ende zu noch mehr Motivation“. So freut sich die bescheidene Athletin auf die nächsten großen Ziele: “ Ich überlege immer, was könnte ich als Nächstes machen.“ Diesbezüglich gehen der sympathischen und bescheidenen Langstreckenläuferin ganz sicher die Ideen nicht aus.
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