Einmal mehr war der Startpunkt an Schönheit kaum zu überbieten. In der Nacht hatte noch leise der Bora sein Unwesen getrieben. Ich dachte eigentlich, unser Bungalow sei weggeflogen und wir landen wo auch immer der Sturm uns hintreiben wollte. Doch am nächsten Morgen zeigte der erste Blick aus dem Fenster, dass wir uns immer noch an derselben Stelle befanden, an der wir zu Bett gegangen waren. Also nicht abgehoben und auch Tatjana und Mitia, meine Mitbewohner hatten die stürmische Nacht gut überstanden. Am Morgen weht kurz vor dem Start noch ein kühler Wind, doch der Himmel zeigt sich bald von purem Blau und auch das Meer ist nicht mehr gar so wild wie am Morgen zuvor.
Der Start erfolgt an einer kleinen Kirche, die sich hoch über dem Meer erhebt. Das Terrain sollte heute gut laufbar sein und nur wenige kleine Abschnitte Trittsicherheit erfordern. Die Truppe ist natürlich wieder schnell aus meinem Blickfeld verschwunden, aber ich finde einen guten Laufrhythmus und lasse mich auch von den kleinen Hügeln nicht abschrecken. Es gehrt zunächst immer am Meer entlang und ich genieße das Treiben der Wellen, den Sonnenschein und das Laufen. Jedenfalls auf der ersten Hälfte der Strecke.
Bis ich die Verpflegungsstelle erreiche, an der heute Annamarija auf mich wartet, gilt es den ersten steilen Anstieg zu überwinden. Er schlängelt sich mehr oder weniger einen Grashügel hinauf, dann ein wenig Zickzack in dem ich gleich mal wieder die falsche Abzweigung nehme, in einem Dornengestrüpp lande und vor einer Steinmauer stehe, auf dem ein alter, großer, verdorrterer Baum liegt. Also alles wieder zurück und schon sehe ich die Fähnchen, die im Wind flattern und mir wieder den richtigen Trail zeigen. Dann endlich ist die Verpflegungsstelle erreicht.
Zeitlich liege ich gut im Rennen und freue mich sogar auf den zweiten Streckenabschnitt, der jedoch viele Überraschungen bereit hält. Es gibt einen Anstieg und einen wunderbaren Downhill Richtung Meer bis zu einem kleinen idyllischen Strand. Einfach wunderbar bis die Strecke wieder eine Wendung nimmt und zwar steil nach oben. Um dann gleich wieder eine Kehre nach unten zu machen … und so weiter. Eine gefühlte Ewigkeit schlage ich mich wacker bergauf, mal über grobes Felsgestein, mal durch Gestrüpp, mal hinauf und dann wieder hinunter. Mittlerweile ist mir die Lust vergangen und ich sehne mich nach dem Ziel, dass allerdings noch ein paar Kilometerchen entfernt ist. Die ersten Blicke auf Trogir sind nichts anderes als ein Trugschluss.

So langsam kriecht die pure Verzweiflung in meine Seele. Die Sonne brennt vom Himmel und kein Ende ist in Sicht bis es schließlich über groben Schotter hinunter geht und die ersten Häuser greifbar nahe sind. Noch ein Schlenker und endlich habe ich den heiß ersehnten, aber auch heißen Asphalt unter den Füßen. Der Weg schlängelt sich durch ein paar enge Gassen, ich kreuze die Hauptstraße vor einer Brücke und sehe schon das Ziel und gleichzeitig ertönt lauthals die Begrüßung. Auch wenn es sich anders schwarz auf weiß gelesen hat, die heutige Etappe war ebenfalls kein Pappenstiel.
Heute Abend steht der Transfer mit der Fähre nach Korcula an, wo wir die nächsten zwei Nächte verbringen werden. Der Weg zur Fähre in Split könnte allerdings durchaus als weitere Etappe durchgehen. Schwer beladen kämpfen wir uns durchs Gewimmel der Touristen, gönnen uns unterwegs eine kleine Pause in einem Cafe bis es weiter geht – quasi einmal komplett um den Hafen, vollgepackt wie die Esel. Der Name Split stammt übrigens von einer sehr wohlriechenden Blume – Aspalathos, aus der im Laufe der Jahre Split wurde. Dass Split gut riecht, kann ich allerdings nicht bestätigen. An den Fähren stauen sich die Autos, der Hafen tut sein Übriges, um uns daran zu erinnern, dass unsere Passion – das Laufen in der Natur – schnell von der Zivilisation wieder eingeholt wird und wir wieder auf dem Boden der Tatsachen landen.
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