Neueste Studien belegen höhere Überlebenschancen bei Krebspatient:innen, die regelmäßig Sport treiben.

    Die weltweit erste Studie mit Patient:innen aus den USA, Großbritannien, Australien, Frankreich, Kanada und Israel hat ergeben, dass ein strukturiertes Trainingsprogramm nach der Krebsbehandlung das Sterberisiko sowie das Risiko eines Wiederauftretens einer Krankheit oder die Entstehung einer neuen Krebserkrankung drastisch senken kann. Die Ergebnisse wurden bei der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology, kurz ASCO, vorgestellt.
    Dr. Julie Gralow, leitende Ärztin der ASCO, über die Studienergebnisse: „Es gibt zum ersten Mal in der Geschichte der Medizin klare Beweise dafür, dass körperliche Betätigung das Wiederauftreten von Krebs und den Tod besser verhindern können als viele der Medikamente, die Patient:innen derzeit verschrieben werden.“

    Ein Durchbruch in der Krebsmedizin mit Zahlen, die überzeugen
    Die wegweisende Studie, veröffentlicht im New England Journal of Medicine und vorgestellt auf der Jahrestagung der ASCO, liefert den bislang eindeutigsten Beweis dafür, dass körperliche Aktivität nach einer Krebsbehandlung lebensrettend sein kann. Die Ergebnisse sind beeindruckend: Sport kann das Sterberisiko bei Krebspatienten um 37 Prozent senken und das Risiko, dass die Krankheit wiederkehrt oder ein neuer Tumor entsteht, um 28 Prozent verringern.

    Was bedeutet das konkret?
    Patient:innen, die nach ihrer Behandlung regelmäßig mit persönlichen Trainer:innen trainierten, hatten nach fünf Jahren ein um 28 Prozent geringeres Risiko für einen Rückfall.
    Nach acht Jahren war das Sterberisiko sogar um 37 Prozent niedriger als im Vergleich zu Patient:innen, die nur allgemeine Gesundheitsratschläge erhielten.
    Die Studie umfasste 889 Patient:innen mit Dickdarmkrebs, die zwischen 2009 und 2023 teilnahmen. Die meisten waren im Stadium III. Die Teilnehmer:innen arbeiteten über drei Jahre hinweg zweimal im Monat mit Trainer:innen zusammen, die sie bei einem Ziel von 3 bis 4 Spaziergängen à 45 bis 60 Minuten pro Woche unterstützten. Viele wählten auch andere Aktivitäten wie Kajakfahren oder Skifahren.

    Warum ist das so bedeutend?
    Dr. Julie Gralow erklärt dazu: „Wir haben die Sitzung, in der die Ergebnisse präsentiert wurden, ‘As Good as a Drug’ (‘So gut wie ein Medikament‘) genannt. Ich würde sie sogar in die Kategorie ‚Besser als ein Medikament‘ einordnen, weil sie keine Nebenwirkungen haben.“
    Und weiter: „Sport ist nicht nur sicher, sondern kann sogar effektiver sein als viele Medikamente, die teuer und mit Nebenwirkungen verbunden sind.“
    Prof. Charles Swanton von Cancer Research UK fasst zusammen: „Diese Studie zeigt, wie Sport die Gesundheit verbessern und die Überlebenschancen nach der Krebsbehandlung erhöhen kann.“

    Sport ist der Schlüssel zu mehr Lebensqualität
    Die Zahlen sprechen für sich: Regelmäßiges, gezieltes Training kann das Risiko eines Krebsrückfalls deutlich senken – und das sogar besser als viele Medikamente. Für Krebspatient:innen bedeutet das: Bewegung ist kein Beiwerk, sondern ein essenzieller Bestandteil der Nachsorge.
    OAC ist für diese Studienergebnisse dankbar, denn nun ist endlich in einer prospektiven Studie bewiesen, was bereits seit 10 Jahren für OAC-Gründerin und Krebsüberlebende Petra Thaller, klar ist: Sport und hier vor allem Outdoor-Sport bietet eine hochwirksame Strategie zu mehr Lebensqualität im Kampf gegen Krebs. Bereits 2018 veröffentlichte Petra gemeinsam mit dem Sportwissenschaftler Dr. Thorsten Schulz das Buch Outdoor against Cancer – Wie Bewegung und Sport in der Natur im Kampf gegen Krebs wirken
    In enger Zusammenarbeit haben Trainingsphysiologe Dr. Rūdolfs Cešeiko von der Stradiņš-Universität Riga und das wissenschaftliche Team von OAC das 4×4 Training für den Einsatz mit Krebspatient:innen weiterentwickelt. Während Dr. Cešeiko die Methode in den onkologischen Kontext überführt hat, brachte OAC die entscheidende Perspektive ein, das Training konsequent nach draußen in die Natur zu verlagern. Eine wirkungsvolle Synergie, mit dem Ziel: Krebspatient:innen eine einzigartige Möglichkeit zu bieten, ihre Lebensqualität zu verbessern und aktiv an ihrer Genesung mitzuwirken.

    4x4-Trainer-innen (von links nach rechts, Joshua Thaller, Petra Thaller, Tom Degenhardt, Devin Bayer), Foto: OAC / 4x4

    Das 4×4 Training – eine hochwirksame Strategie für Herz-Kreislauf- und Stoffwechselgesundheit
    Das 4×4 Training, bestehend aus vier Intervallen mit höherintensiver aerober Belastung, die jeweils vier Minuten dauern, gefolgt von drei Minuten aktiver Erholung, hat sich als äußerst effektive Methode zur Verbesserung der kardiovaskulären und metabolischen Gesundheit erwiesen. Seine Wirksamkeit beruht auf den robusten zentralen und peripheren physiologischen Anpassungen.

    Zentrale Effekte
    Auf zentraler Ebene ist einer der Hauptvorteile des 4×4 Trainings eine Steigerung des Schlagvolumens, also der Menge an Blut, die das Herz bei jedem Schlag auswirft. Da die maximale Herzfrequenz bei regelmäßigem Training relativ konstant bleibt und mit dem Alter tendenziell abnimmt, führt die Verbesserung des Schlagvolumens direkt zu einer Erhöhung des maximalen Herzzeitvolumens. Diese Steigerung verbessert die Sauerstoffversorgung der arbeitenden Muskeln erheblich und führt zu deutlichen Verbesserungen der maximalen Sauerstoffaufnahme (V̇O₂max) – einem entscheidenden Faktor für aerobe Leistungsfähigkeit und Gesundheit.

    Periphere Effekte
    Neben den zentralen kardiovaskulären Anpassungen bewirkt das 4×4 Training auch wichtige periphere Veränderungen. Dazu gehören eine erhöhte Mitochondriendichte und -funktion, eine verbesserte Sauerstoffextraktion in den Muskeln sowie eine Verbesserung des Stoffwechsels. Der wiederholte physiologische Stress durch die Intervalle verbessert zudem die Endothelfunktion, was zu einer größeren Flexibilität der Blutgefäße und einer erhöhten Verfügbarkeit von Stickstoffmonoxid führt – ein Kennzeichen eines gesunden Endothels.

    Weitere Vorteile
    Darüber hinaus verbessert sich die neuromuskuläre Koordination und die Rekrutierung motorischer Einheiten wird effizienter, während parallel die Insulinsensitivität zunimmt – ein entscheidender Faktor für die metabolische Gesundheit. Zusammenfassend sind diese zentralen und peripheren Anpassungen die Grundlage dafür, dass das 4×4 Training eine äußerst effiziente und umfassende Methode ist, um die kardiovaskuläre Leistungsfähigkeit und die körperliche Belastbarkeit zu steigern – und das sogar bei unterschiedlichen Patientengruppen, einschließlich Menschen mit Krebs.
    Nach bereits 100 erfolgreichen Trainingseinheiten in Riga feiert das 4×4 Training seit April 2025 nun auch in München Erfolge. Was das modifizierte 4×4 Training so besonders und vor allem wirkungsvoll macht, haben wir mit Dr. med. Tom Degenhardt, OAC’s medizinischen Direktor, in einem Interview besprochen.

    Foto: OAC / 4x4

    OAC’s Medizinischer Direktor im Interview

    In dem Gespräch mit OAC Autorin Susa Schreiner klärt Dr. med. Tom Degenhardt darüber auf, wie das Training die maximale Sauerstoffaufnahme (VO₂max) signifikant verbessert, zelluläre Anpassungen fördert und den Stoffwechsel optimiert – und welche spezifischen Vorteile sich daraus für Menschen mit einer Krebsdiagnose ergeben.

    OAC: Das 4×4 Training erfährt große Aufmerksamkeit und ist DIE-Trainingsmethode im Semi-Profisport schlechthin. Was macht diese wissenschaftlich erforschte Trainingsmethode so besonders? 

    Dr. med. Tom Degenhardt:  Das 4×4 Training ist ein Intervalltraining, bestehend aus 15 Minuten Warm Up, gefolgt von 4 Intervallen von jeweils 4 Minuten bei 85 bis 95 Prozent der maximalen Herzfrequenz (HFmax). Das Ganze passiert im Wechsel mit 3 Minuten aktiver Erholung zwischen den Intervallen, bei etwa 60 bis 75 Prozent der HFmax. Die letzte Erholungsphase ist gleichzeitig das Cool Down von etwa 10 Minuten. Diese wissenschaftlich erforschte Trainingsmethode hat ihren Ursprung im Leistungssport und wurde dort von norwegischen Sportwissenschaftlern etabliert. Auch in der Therapie bei Patienten mit Herzerkrankungen ist Intervalltraining seit Jahren sicher und erfolgreich im Einsatz.

    OAC: Was sind die drei Top-Effekte?

    Dr. med. Tom Degenhardt: Das 4×4 Training führt nachweislich zur signifikanten Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme, auch bekannt unter VO₂max. Die VO₂max ist ein zentraler Indikator für kardiorespiratorische Fitness. Studien zeigen, dass regelmäßiges Training nach dieser Methode die VO₂max um mehr als sieben Prozent steigern kann, was die Ausdauerleistung deutlich erhöht. Diese Steigerung ist meist größer als bei einem klassischen, moderaten oder auch intensiven Ausdauertraining.

    Ein weiterer Effekt durch das regelmäßige 4×4 Training ist die zelluläre Anpassung: Es fördert die Mitochondrien Biogenese und damit die Energieproduktion auf Zellebene.

    Ein dritter Effekt stellt die Stoffwechseloptimierung dar. Der Fettstoffwechsel wird verbessert, die Insulinresistenz kann reduziert werden – das ist zum Beispiel wichtig in der Prävention und Therapie chronischer Erkrankungen.

    OAC: Kommen wir noch einmal auf die maximale Sauerstoffaufnahme zu sprechen. Warum gilt VOmax als entscheidender Parameter für die Gesundheit?

    Dr. med. Tom Degenhardt: Ein hoher VO₂max-Wert ist stark mit einer reduzierten Gesamtmortalität assoziiert. Er spiegelt die Leistungsfähigkeit von Herz, Lunge und Muskulatur wider – zentrale Systeme für langfristige Gesundheit. Durch die wiederholten Belastungen nahe der maximalen Herzfrequenz (85 – 90 % HFmax) passt sich das Herz-Kreislauf-System an: Das Schlagvolumen des Herzens nimmt zu, das Herz arbeitet effizienter und kann pro Schlag mehr Blut transportieren. Dies ist ein zentraler Mechanismus für die Leistungssteigerung und die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems. Mit der Einführung des sogenannten Norwegian Protocol hat in diesem Zusammenhang der Norweger Ulrik Wisløff dieses Konzept geforscht und die Vorteile für Herzpatienten aufgezeigt.
    Mein lettischer Freund und Kollege Dr. Rūdolf Cešeiko der unter anderem zum „Einfluss von Maximalkrafttraining auf die Lebensqualität von Frauen mit Brustkrebs in Behandlung“ geforscht hat, hat zusammen mit dem wissenschaftlichen Team von OAC das Training optimiert und nach draußen in die Natur gebracht. In Riga fand Ende Mai bereits das 100. Training statt. Seit April 2025 gibt es nun das 4×4 Training auch in München. Das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung.

    OAC: Stimmt, denn es geht bei OAC ja vor allem darum, Krebspatient:innen in Bewegung zu bekommen, draußen in der Natur. Welche Effekte ergeben sich denn speziell für Krebspatient:innen?

    Dr. med. Tom Degenhardt:  Einer der wichtigsten Aspekte, aus meiner Sicht, ist die Steigerung der Lebensqualität und Leistungsfähigkeit im Lebensalltag durch z.B. Reduktion von Fatigue. Darüber hinaus stellt sich eine bessere Verträglichkeit von Chemo- und Strahlentherapie ein. Die vorgenannten Effekte wie zelluläre Anpassung, Stoffwechseloptimierung gelten für alle Trainierenden und entsprechend ergeben sich für Krebspatient:innen auch positive Effekte auf Immunfunktion und Lebensqualität.

    OAC: Absolut, das bekommen wir ja bereits von unseren Teilnehmenden zurückgespielt. Ein Punkt ist noch offen, und zwar die signifikante Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme VOmax. Hier gibt es sicherlich auch für Krebspatient:innen positive Effekte bzw. wie verändert sich dieser Wert?

    Dr. med. Tom Degenhardt: Der VO₂max-Wert kann durch 4×4 Training innerhalb von 8 bis 12 Wochen um bis zu 10 % steigen. Bei kontinuierlichem Training bleiben die Effekte stabil – ohne Training fällt der Wert jedoch wieder ab. Es lohnt sich dranzubleiben. Das Training ist nach individuellen Kriterien wie dem Prozentsatz der maximalen Herzfrequenz oder der subjektiven Belastungsskala jederzeit anpassbar an den aktuellen körperlichen Zustand. Das macht das Training auch so divers: Die Teilnehmenden richten sich nach dem eigenen Leistungszustand und auch der Tagesform und nicht nach der Gruppe. Für die einen ist submaximale Belastung ein Sprint, für andere bedeutet hohe Intensität vier Minuten schnelles Gehen. Dieses Integrative macht das Training nochmal spannender.

    OAC: Dem können wir nur zustimmen. Wir wollen mit unserem 4×4 Training einladen zur Bewegung an frischer Luft, mit oder ohne Krebsdiagnose. Allerdings möchten wir in unserer letzten Frage noch einmal speziell auf Krebspatient:innen eingehen. Tom, welche langfristigen Effekte ergeben sich mit einem regelmäßigen 4×4 Training?

    Dr. med. Tom Degenhardt: Langfristig verbessert sich nicht nur die körperliche Belastbarkeit, sondern auch die psychische Stabilität. Außerdem kann das Rückfallrisiko gesenkt und die Tumormikroumgebung günstig beeinflusst werden.

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