„Nachhaltiges Wirtschaften macht krisenresistent“, so beginnt unser inspirierendes Interview mit Antje von Dewitz, das Aspekte wie partnerschaftliches Handeln oder Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch in dem Kontext der momentanen Krise neu bewertet.
    Antje von Dewitz / Bild: VAUDE

    Wir sind überzeugt: Unsere Ausrichtung auf Nachhaltigkeit hilft uns in der aktuellen Krise, denn Nachhaltiges Wirtschaften macht krisenresistent. Zunächst einmal: nachhaltiges Engagement kostet uns grundsätzlich mehr. Es hat uns aber in vielen Aspekten fit für die Krise gemacht: 

    oBspw. legen wir viel Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie Die strukturellen Rahmenbedingungen und die optimale technische und kulturelle Aufstellung für Home Office, wurde schon weit vor der Krise eingeführt und von vielen Mitarbeitern praktiziert. Über 200 Mitarbeiter arbeiten jetzt problemlos im Home Office. Wir sind es als Organisation gewohnt agil zu reagieren, da wir viele unterschiedliche Arbeitszeitmodelle haben, viele KollegInnen in Elternzeit, die rein und rausgehen. Wir können jetzt relativ gut damit umgehen, dass Kollegen auf Grund von Homeschooling und Kinderbetreuung ihre Arbeitszeit umgestalten und umorganisieren müssen.

    o Zudem haben wir bei VAUDE einen großen Fokus auf interne Kultur und damit auch offene Kommunikation. Das sorgt für starkes Miteinander und Zusammenhalt in der Krise. Wir haben schnell neue Formen gefunden um den Zusammenhalt jetzt zu stärken: z.B. ein Video-Blog der Geschäftsleitung, digitales Sportprogramm, digitale Kaffeepause, Tipps zu Homeoffice-Organisation, Kinderprogramm etc. im Firmen-Intranet

    o Echte Partnerschaftlichkeit zeigt sich in Krisenzeiten. Wir erleben große Zuverlässigkeit und Kooperationsbereitschaft bei unseren Lieferanten und Produzenten, Lösungen zu finden (bspw. Lieferungen oder Zahlungsziele nach hinten zu verschieben etc.)  Auch die Banken zeigen große Unterstützungsbereitschaft.

    o Als reines Familienunternehmen, das keine großen Ausschüttungen an Shareholder zu leisten hat, konnten wir in den letzten Jahren auch wirtschaftlich sehr nachhaltig vorgehen und sind damit finanziell gut aufgestellt; um durch diese existenzbedrohende Krise zu kommen.

    • Generell ist Nachhaltigkeit also für uns kein Trendthema, das konjunkturabhängig ist, sondern eine Grundhaltung, die in die Zukunft gerichtet ist.

    o Unsere Bemühungen rund um weltweit faire Arbeitsbedingungen über Fair Wear läuft unvermindert weiter.

    o Wir entwickeln weiterhin umweltfreundliche Produkte, mit einem Update auf Green Shape 3.0 im nächsten Jahr. Die Arbeit läuft unvermindert weiter.

    o Wir verfolgen mit Hochdruck unsere Material Goals, d.h. unsere Produkte in den nächsten Jahren auf Recycling und biobasierte Materialien umzustellen etc.

    • Ich sehe dennoch aufgrund von Corona die Gefahr, dass das Thema bei Unternehmen, die gerade erst damit angefangen haben, wieder in den Hintergrund rückt. Zunächst mal geht es bei vielen ums Überleben. Nachhaltiges Wirtschaften ist aber das Gegenteil von kurzfristigem Denken. Hier kann die Politik gegensteuern in dem sie Konjunkturpakete auflegt, die gemeinwohlorientierte und nachhaltige Unternehmen fördert. Bzw. staatliche Unterstützung an konkrete Kriterien für Umwelt- und Klimaschutz koppelt. Wir brauchen ein neues Wirtschaftswunder!

    • Andererseits deutet sich jetzt schon an, dass bewusster Konsum und nachhaltiger Lebensstil durch Corona eher noch verstärkt wird, also die Nachfrage auf Konsumentenseite eher befördern wird. 

     

     

    Bild: VAUDE

    2.) Wie stark leiden Ihrer Einschätzung nach soziales Engagement, soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung in einer Zeit, in der wirtschaftliches Überleben – selbst im Mikrokosmos – das bestimmende Thema ist und wie agiert das Unternehmen VAUDE gegenüber seinen Beschäftigten und Handelspartnern?

    Die Gefahr ist, dass soziales Engagement, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung dort leidet, wo sie bisher auch nicht richtig verankert war. Unser Grundsatz ist Partnerschaftlichkeit und diesen Grundwert leben wir auch in einer existenzbedrohenden Krise. Wir gehen auf Augenhöhe mit unseren Partnern (Lieferanten, Händlern, v.a. aber auch Mitarbeiter etc.)  in den Austausch und suchen nach gemeinsamen Lösungen für die schwierige Lage, in die uns Corona versetzt. Das betrifft unsere Mitarbeiter (bspw. beim Thema Wegfall von Arbeit oder Organisation der Kinderbetreuung) bspw. in dem kontinuierlich engem Austausch, oder der Schaffung des VAUDE Blogs,  Kinder-Betreuungs- Sonderurlaub , unsere Produzenten (bei plötzlichem kompletten Wegfall der Nachfrage durch Ladenschließungen) (s.o.) unsere Banken genauso wie unsere Handelspartner (landig page zu buy local). Wir erfahren auch in der Krise, dass der partnerschaftliche Weg sinnvoll und zielführend ist. 

     

     

    Bild: VAUDE

    3.) Sind die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise mit den Kontakt- und vor allem Reisebeschränkungen für das Unternehmen VAUDE zum momentanen Zeitpunkt überhaupt schon absehbar und mit welchen Maßnahmen kann man sich diesen entgegen stellen?

    Nein, die Folgen sind noch nicht voll absehbar. Einerseits sind jetzt zumindest in D und A die Läden wieder auf, die Kaufzurückhaltung allerdings groß. Die Einkaufsstimmung ist durch Faktoren wie Kontaktverbot und Maskenpflicht, allgemeine negative Konsumstimmung deutlich getrübt, zumindest was Outdoor angeht. Im Bike Bereich sieht das anders aus. Hier sehen wir ein starkes Anziehen der Umsätze im Handel. 

    Zu Beginn im März konnten wir schnell und entschlossen Gegensteuern durch teilweise Kurzarbeit im April, durch Risikomanagement und strikte Kostenkontrolle, bspw, in einem Konsolidierung der kommenden Kollektion Sommer 21. Dies geschah durch sehr engen Austausch mit unseren Handelspartnern, und ein generell strategisches „Fahren auf Sicht“, d.h. kontinuierliches hinterfragen und anpassen der Maßnahmen aufgrund von neuen Entwicklungen. Freie Kapazitäten und Zeiten haben wir genutzt, um VAUDE zukunftsfähig zu machen, damit wir gut nach der Krise durchstarten können.

     

     

    Bild: VAUDE

    4.) Sehen Sie auch eine Chance in der Krise und welche Konsequenzen müssten Unternehmen Ihrer Einschätzung nach aus dieser ziehen?

    Die Corona-Krise zeigt sich als große Chance für die Digitalisierung (siehe Homeoffice). Ein Schub für Öffnung auf allen Mitarbeiterebenen für digitale Tools, eine Selbstverständlichkeit im Umgang und auch Impuls für unsere  Kultur: noch mehr Agilität und Beweglichkeit durch die Online-Möglichkeiten der Vernetzung. Spannend wird das erste digitale Salesmeeting und die anschließende Orderrunde.

    Ich glaube, viele Unternehmen werden das Thema Vereinbarkeit Beruf & Privatleben neu einschätzen, da sie jetzt erleben, wie das Home-Office-Leben funktioniert. Es wird viele Impulse auf New Work und Unternehmenskulturen haben bzw. wird die Erwartungshaltung der Mitarbeiter nach dieser Erfahrung noch höher sein, dass Unternehmen dies gewährleisten.  (vgl. aktuelle Gesetzes-Pläne vom Arbeitsminister zu „Recht auf Home Office“)

    Es ist auch eine Chance, dass mehr Menschen in bewussten Umgang mit Konsum und Lebensweise kommen. Grundsätzliches wird neu hinterfragt und bewertet. „Wir werden mehr“. Die Gruppe der Menschen, die nach Marken suchen, die nachhaltig wirtschaften, wird größer werden. Die Kritik gegenüber Unternehmen, die auf Kosten von Gesellschaft, Mensch und Natur wirtschaften, wird lauter.

    => Unternehmen müssen sich noch mehr in ihren Verhalten auf dem Prüfstein der Öffentlichkeit sehen. 

    – Es besteht die Chance, dass große Konjunkturpakete an eine nachhaltige Entwicklung gekoppelt werden (s.o. und Forderungen des Petersberger Dialog) 

    Antje von Dewitz / Bild: VAUDE

    5.) Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prognosen zeichnen im Tenor ein düsteres Bild: mangelnde soziale Kontakte für Senioren, aber gerade auch junge Menschen, Kurzarbeit, wachsende Arbeitslosigkeit. Was sind die positiven Signale, die ein Unternehmen wie VAUDE den Menschen mit auf den Weg geben kann?

    Corona ist eine lebensgefährdende Bedrohung für viele Menschen und eine existentielle für Wirtschaft bzw. viele Unternehmen. Das soll nicht geschmälert werden. Gleichzeitig ist es auch eine Chance zur Reflektion. Wir wurden genauso rausgeschmissen aus dem immer schneller drehenden Rad unseres Alltags. Aus bestehenden Erwartungshaltungen der Eltern oder der Gesellschaft, bspw. wie es nach der Schule weitergehen sollte, aus dem immer höher, schneller, weiter und erfolgreicher in der Wirtschaft. Wir sind auf uns selbst zurückgeworfen und können uns das wieder bewusst machen, was wirklich zählt und uns wichtig ist. Die Chance besteht darin, diese Zwangspause auch tatsächlich dazu zu nutzen und die Erkenntnisse auf das eigene Leben und unser Wirtschaftssystem nach Corona anzuwenden…und uns zu fragen: Wie wollen wir als globale Gesellschaft in Zukunft arbeiten und leben?

     

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